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Vollständige Version anzeigen : Interessanter Artikel auf Spiegel Online (II)


pleco22
04.10.2007, 20:52
Hi,
in Anlehnung auf die überaus fruchtbare Diskussion aus dem Thread "zum Thread (https://www.l-welse.com/forum/showthread.php?t=16680) gibt es heuet schon wieder einen interessanten Artikel zum Thema. Diesmal geht es um die Barcode-Initiative. Anscheinend plant da jemand eine große Nummer. Wenn es nach diesem Menschen geht, wissen wir spätestens 2014 wieviele Hypancistrusarten es gibt - ganz ohne Schuppen- und Zahnzähler.

Wäre doch toll:
zum Artikel (https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,509479,00.html)
zur Projektseite (https://www.fishbol.org/)

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BlueFin
04.10.2007, 20:58
Hallo

Die spinnen die Römer:kms:

Gruss

L172
04.10.2007, 21:50
Hallo!

Naja, die Idee an sich ist ja nicht schlecht. Allerdings braucht es erstmal und weiterhin Taxonomen, die die Arten bestimmen. Was nützt es, wenn Du eine tolle Sequenz hast, aber keinen Schimmer, was welche Art das nun war.

Und, bei der Frage, ob Ixinandria nun aus einer, zwei oder drei Arten besteht, wird uns das System auch nicht helfen können. Da müsste man dann nämlich, wie in dem anderen Thread schon angesprochen, sagen: ab x% Unterschied sind es zwei Arten, darunter nicht.

Die Maschine, von der er spricht, wo links das Tier reingeschoben wird und rechts die Sequenz rauskommt, das ist ein Traum. Aber da sind wir wohl noch weit von entfernt...
Wenn ich sehe, wie viele Probleme meine Kollegen und ich OFT haben, aus einer Gewebeprobe eine Sequenz zu bekommen...
Zuerst muss die PCR funktionieren, um das COI-Fragment zu amplifizieren (und da sind die Primer von Hebert nicht perfekt! Zum einen funktionieren sie nicht mit allen Proben/Arten, zum anderen erbringen sie oft mehrere Fragmente, was dann ein einfaches Sequenzieren effektiv unterbindet). Als zweiter Schritt muss die Aufreinigung funktionieren. Dafür gibt es effiziente Kits. ABER, das heißt noch lange nicht, dass danach die Sequenzierung auch funktioniert...
Bei mir funktioniert sie DEUTLICH besser, wenn per Hand aufgereinigt wird, was aber OFT einen Verlust des Materials mit sich bringt, wonach man wieder von vorne anfangen muss...

Bis all diese Probleme gelöst sind, wird noch eine Zeit vergehen. Effektive Systeme dieser Art als große Maschine halte ich sogar für einigermaßen realistisch, aber bis es sowas im Taschenformat geben wird - da wird noch VIEL Zeit vergehen.

Außerdem verstehe ich nicht, wie er folgendes Beispiel lösen will:
"Man kippe links ein Kilo Tiermix rein und erhält "kurz" darauf eine Liste aller Arten, die darin enthalten waren"

Ein Sequenzierer mag noch so effizient sein, aber wenn Du Material von zwei oder mehr Arten zusammenkippst, kommt Müll raus, weil sich die Signale überlagern und Du/er nicht weiss/t welches von welcher Art ist...

Sprich, eine Feder reinschieben und den Namen erhalten, ok.
Aber mal den Kescher durchs Wasser ziehen und den Insekten-Schnecken-Egel-Fisch-Mix reinkippen und eine Liste der Arten erhalten ist IMHO nicht drinnen

Falls ich irgendwo falsch liege, bitte belehrt mich :-)

Grüße,
Christian

Walter
05.10.2007, 00:22
... und es gibt Gott sei Dank Leute, die Sequenzen, bevor sie sie aus der (inzwischen vorhandenen) "weltweiten" Gendatenbank nehmen und verwenden, diese Sequenzen durch den Computer schicken - und dann darauf kommen, dass die Sequenz, die hier z.B. (als Beispiel) als "irgendeine Reptilienart" tituliert ist, in Wirklichkeit von einem Affen stammt (oder stammen muss).

Glücklicherweise machen das noch einige Leute, wenn wir uns ansonsten nur noch auf Gensequenzen (z.B. zur Artbestimmung) verlassen würden, wären wir verloren - wo Menschen arbeiten (und Daten eingeben), werden Fehler gemacht.
Deshalb hier mal (die schon oft genannte) Warnung vor Versuchen, z.B. "Holotypen zu hinterlegen ist nicht mehr notwendig" - wie schon verlangt:
Wirkliche Klarheit schafft diesbezüglich dann doch immer wieder nur Anatomie/Morphologie/Eidonomie - und keine Sequenz (ohne passendes reales Ebenbild).


So what, says...


Walter

madate
05.10.2007, 05:37
Hi,


ich hatte es auch schon ein paar Mal, daß meine Sequenz, die eigentlich von Danio rerio sein sollte auf einmal von einem Bakterium war. Das kann passieren, da die Sequenzierer teilweise eng gebaut sind und die Proben sehr dicht nebeneinander laufen und sich die Signale dann überlagern. Dann kommt Schrott raus.


So isch des.

Gruß,
Mathias

Walter
05.10.2007, 08:24
... ähem ;) - mit dem "Affen" hab ich eigentlich einen "Homo sapiens Affen" gemeint - weil jemand nicht sauber gearbeitet hat.
Kommt auch vor, leider.

pleco22
05.10.2007, 09:29
Hi,
das finde ich ja toll - da haben wir mit Christian und Mathias zwei Experten für dieses Thema an Bord. Ich habe den Artikel gelesen, für mich war der Hinweis auf die Bioinformatiker wichtig. Denn die scheinen mächtigen Einfluss zu gewinnen.

Das Beispiel mit dem Mixer finde ich auch erschreckend - dass ist dann irgendwie ien rein quantitatives Verfahren. Ich denke mal, dass man es irgendwie so ist, dass die Sequenzen von verwandten Arten auch irgendwie ähnlich sind. Oder liege ich da falsch?

Ich habe Bio bis ins Abi gehabt, also viel mehr als Schulwissen ist bei mir nicht vorhanden …


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madate
05.10.2007, 10:56
Hi,


ich habe mir den Artkel jetzt mal etwas durchgelesen und einiges ist widersprüchlich.
Wenn er Arten bestimmen und neu klassifizieren will und das mittels PCR und/oder Sequenzierung, dann braucht er einen Vergleichswert. Ansonsten hat man nur DNA und kann sie nicht zuordnen. Also braucht man eine Grundlage, die man aber auf eine solche Art nicht bekommen kann. Hier beisst sich der Hund in den Schwanz, meiner Meinung nach.

Auch wenn man dann einen "Genbrei" hat, dürfte die Zuordnung recht schwer fallen, da man ja mehrere Organismen zusammen hat und dann muß sortiert werden. Auch hier kommen die Marker wieder zum tragen, wenn man nichts zum Vergleichen hat und das zuverlässig machen kann, dann wirds schwierig.

Wie gesagt, ich habe den Artikel nur überflogen.

Gruß,
Mathias

L172
05.10.2007, 14:35
Hallo Felix!

Ja, je näher die Arten verwandt sind, desto ähnlicher die Sequenzen (das ist zumindest die Theorie, die meiner Arbeit zugrunde liegt).

Zu Mathias Argument:
Ja, zuerst braucht man ein gut bestimmtes Tier, von dem man die Sequenz gewinnt und in die DB einspeist. Sonst kann das gar nichts werden...

Walter stimme ich im Prinzip auch zu.
Wo das Verfahren wirklich sinnvoll ist, ist z.B. beim Zoll. Da wird ein Tourist aufgegriffen mit Eiern im Gepäck. Da diese falsch gelagert wurden, sind sie eh schin abgestorben. Jetzt könnten es Hühner oder Wachteleier sein, die keinen Bestimmungen unterliegen. Mit Hilfe characteristischer Sequenzen (z.B. den Barcodes) kann man aber doch noch feststellen, von was für Tieren die Eier waren. In dem Falle einfacher, als die Embryos morphologisch bestimmen zu wollen.
Bei genanntem Beispiel ist teilweise auch schon herausgekommen, dass der Schmuggler gar nicht die Tiere bekommen hat, die er haben wollte...

Ein anderes Problem, das mir gestern noch eingefallen ist, sind die numts. Mitochondriale Sequenzen, die in die nucleäre DNA aufgenommen wworden sind, zum Teil in erheblichen Wiederholungen. Diese DNA ist vermutlich nutzlos, evoluiert mit einer anderen Frequenz als die der Mitochondrien, spricht aber eben auf dieselben Primer an. Ist wohl vor allem bei Carnivora/Mammalia ein großes Problem.
Wenn jetzt solche Sequenz in die DB kommt und jemand die echte Sequenz zum Vergleich schickt (oder umgekehrt), gibt es eben nicht die gewünschte Übereinstimmung.

Was die "Taschensequenzierer" angeht:
Wenn man sich ansieht, wie groß die Geräte heute alle sind, und wie viele Geräte man bis zur Sequenz braucht, sehe ich schwarz, das auf Hosentaschenformat zu schrumpfen.
Selbst wenn es irgendwann einmal gelingen sollte, selbst wenn das Gerät dann nur 10% des Preises kostet, was die Einzelgeräte heute kosten, wäre das Teil immer noch zu teuer, als dass Grundschulklassen sich damit am Biotop vergnügen könnten...
(das unabhängig von meinen Einwännden in #3)

Grüße,
Christian

pleco22
05.10.2007, 15:19
Hi,

im Artikle steht einiges an Zukunftsmusik ist klar. Irgendwo muss man die Forschungsgelder auch verbraten. Der Bottleneck ist mit Sequenzierung, denn so wie ich es hier gelernt habe, ist da nix mit einfach Mixer an und Fertig. Da wird wohl eher ganz schön an einem Präparat gefummelt bis man sowas in die Anlage schiebt.

Der nachfolgende Schritt - Sequenz analysieren, vergleichen, klassifizieren, zusammensetzen ist für gute Rechner wie gemacht. Da ist Sturheit gefragt und davon haben die Dinger bekanntlich eine Menge.

Für uns Hobbyisten ist das Ding ja nur interessant, wenn Beschreibungen dazukommen - denn wer will schon eine Sequenz als L-Nummern-Code?

Wenn du da an der Quelle sitzt - kannst du nicht mal ein paar Hypancistren in den Mixer …

Ich kenne das von Paros, da wird eine Artabgrenzung inzwischen über Barcodes verifiziert. Ist bei denen auch sinnvoll, denn die Viecher sind von Tümpel zu Tümpel verschieden …

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L172
05.10.2007, 16:09
Hallo!

Also, im Moment ist der Standart so:
DNA-Extraktion
PCR
Aufreinigung der PCR
PCR mit ddNTPs (markierte ddNTPs oder Primer)
Sequenzierung

Mag sein, dass sich da noch was vereinfachen lässt... ich weiß nur, dass das schon jetzt längst nicht immer so klappt, wie es sollte...

Der nachfolgende Schritt - Sequenz analysieren, vergleichen, klassifizieren, zusammensetzen ist für gute Rechner wie gemacht. Da ist Sturheit gefragt und davon haben die Dinger bekanntlich eine Menge.


Vorausgesetzt, die Sequenz wurde mit einer guten Qualität gelesen, kein Problem. Der Vergleich der Sequenzen sit heute schin beim Blast Standart.

Für uns Hobbyisten ist das Ding ja nur interessant, wenn Beschreibungen dazukommen - denn wer will schon eine Sequenz als L-Nummern-Code?

Genau!
Und genau dafür wird man immer noch Taxonomen brauchen. Eben für die Beschreibungen/Charakterisierungen der Tiere, die für die Sequenzen der DB verwendet werden.
Was nützt es zu wissen, dass der Barcode von L399 und L400 einen Unterschied von 4% aufweist. Heißt das jetzt, dass es zwei Arten sind, oder nicht???
Selbst, wenn man sich darauf einigt, die Grenze bei 5% zu ziehen, gilt das dann für alle Arten? Wie sieht es mit unterschiedlichen Mutationsfrequenzen von verschiedenen Arten/Populationen aus?

Wenn du da an der Quelle sitzt - kannst du nicht mal ein paar Hypancistren in den Mixer …

Wäre ein nettes nächstes Projekt...
Bräuchte ich aber das Material dazu. Am besten natürlich direkt vom Fundort.

Ich kenne das von Paros, da wird eine Artabgrenzung inzwischen über Barcodes verifiziert. Ist bei denen auch sinnvoll, denn die Viecher sind von Tümpel zu Tümpel verschieden …

Was sind "Paros"?
Das ist meine Arbeitsabkürzung für Parotocinclus, da das ganze Wort nicht auf ein 0,2-ml-Eppendorf passt...
Aber wenn die Viecher so verschieden sind, warum braucht man dann die Sequenzen?
Oder sind es doch nur Populationen und Du willst wissen aus welchem Tümpel das Vieh stammt?

Grüße,
Christian

pleco22
05.10.2007, 20:51
Hi,

sorry - so kanns gehen. Mit Paros die Gattung Parosphromenus, dass sind Prachtguramies, also Labyrinther. Die kommen allesamt aus Schwarzwassergewässern und haben winzige Fundorte. Da die Tiere fast alle vom Aussterben bedroht sind, werden die inzwischen versucht über Barcodes zu bestimmen. Denn da kann man jetzt nicht mehr auf die Flossenzähler warten.

Brauchst du für deine Forschung denn ein ganzes Tier, oder reicht meinetwegen ein Stück Flosse oder Schleimhaut?

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L172
05.10.2007, 21:00
Hallo!

Ein Stück Flosse reicht aus...
Im Moment habe ich allerdings so viel mit meinen zwei Projekten zu tun, dass ich da nicht auch noch ran kann.
Prinzipiell hätte ich aber schon grosses Interesse an einem solchen Projekt.
Man müsste eben nur sehen, Material von sicher bestimmten Tieren, mit sicherer Herkunft zu bekommen.

Grüsse,
Christian

L172
08.10.2007, 19:34
Hallo!

Ich habe nochmalmit Kollegen darüber gesprochen.
Ein Ansatz,der evtl in die richtige Richtung gehen könnte, wäre, "einfach" alle Sequenzen aller bekannten Arten auf einen DNA-Chip/Micro-Array aufzutragen. Dan könnte man mit der Tümpelmatsche/DNA-Mix "einfach" eine spezifische Hybridisierung machen und sehen, was hängen bleibt,also an Arten dabei war.
Dass man dieses System auf Taschenformat schrumpfen kann,halte ich schon eher für möglich. Auch die Kosten dürften dabei erheblich geringer Ausfallen...

Grüsse,
Christian

madate
09.10.2007, 09:21
Hi,


stimmt. Microarrays könnten funktionieren.
Ich habe selbst vor einigen Jahren ein wenig damit gearbeitet. Allerdings ist die Auswertung alles andere als einfach und schnell zu erledigen, da man ja bis zu 40000 Dots auswerten muß. Da braucht mn schon einen Bioinformatiker.

Wir hatten uns damals ein Set für 30000€ gekauft. Billig ist der Spaß nicht.

Gruß,
Mathias

L172
09.10.2007, 14:58
Hallo Mathias!

Gut, aus der Portokasse zu zahlen ist auch der Spaß nicht, aber verglichen mit den derzeitigen Preisen für Sequenzierer.... :-)

Grüße,
Christian

pleco22
09.10.2007, 20:17
Hi,

klingt ja alles sehr interessant, auch wenn ich da teilweise aussteige, was die Komplexität der Materie angeht. Interessant bei solchen Entwicklungen, in diesem Fall die Digitalisierung der Taxonomie, ist lediglich, ob die Maschine überhaupt ein erfolgreiches Ergebnis präsentieren kann - den Rest regelt über kurz oder lang Moores Gesetz.

Mag sein, dass sich 30.000 Tacken viel für ein Gerät anhören, aber für einen gescheiten Rechner hat man vor gar nicht langer Zeit auch mal so viel gezahlt. Ich freue mich, wenn hier im Forum Leute herumgeistern, die dieses Thema aus einem professionellen Blickwinkel betrachten können.

Spannend vor dem Hintergrund der digitalen Entwicklungen finde ich aber auch, dass zwar die Beschreibung digitalisiert werden kann, die Erforschung der Lebenweise dabei aber vollkommen auf der Strecke bleibt.

Wer macht denn in Zukunft diese Arbeit?

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L172
09.10.2007, 20:51
Hallo!

Bei den DNA-Chips werden die DNA-Sequenzen als Molekül auf den Chip aufgebracht, um so andere DNA (in "unserem" Beispiel den Tümpelmix) daran hybridisieren zu können.
In dem Fall zieht (vermute ich) das Moorsche Gesetz nicht...

Wer macht denn in Zukunft diese Arbeit?

Das hatte Hebert ja gesagt, dass auch nich ein bisschen Platz für herkömmliche Biologen bleibt.
Weil, Verhalten etc. lässt sich nicht über Barcodes bestimmen...

Grüße,
Christian

madate
10.10.2007, 08:22
Hi,


ich denke auch, daß in Zukunft die Molekularbiologie eine immer größer werdende Rolle spielen wird. Allerdings werden immer weniger Taxonomen ausgebildet, die sich damit befassen. Auch die Geldgeber fehlen.
Vor 2 Monaten gab es einen Schwerpunkt über eben dieses Thema im Laborjournal. Leider habe ich diese Ausgabe nicht.

Hier mal der Link: Laborjournal (https://www.biotech-europe.de/rubric/aktuell/index.html)


Gruß,
Mathias