allopatrische u. sympatrische Artbildung - Artbildung?
Hi,
wir nehmen mal folgendes an, da ich gerade eine Bio-Klausur darüber geschrieben habe: Art A und Art B leben durch geografische Isolation in verschiedenen Biotopen. Durch menschliches Einwirken entsteht nun eine Verbindung zwischen diesen Gebieten und es kommt zur Hybridisierung. Der entstandene Hybrid ist aus Sicht des morphologischen Artbegriffs eine neue, valide Art, da er sich von Art A und Art B gut abgrenzen lässt. Betrachtet man ihn allerdings aus der Sicht des biologischen Artbegriffs, dann ist es keine Art, denn es entstehen Bastarde mit Art B. Der Hybrid ist also ebenso wie Art A und Art B genetisch noch nicht so gefestigt, dass Vermischungen mit andersartigen Organismen verhindert werden würden. Frage: Kann man hier von Artbildung sprechen, wenn ja welche? Aussage: Es handelt sich um sympatrische Artbildung! Meine Meinung: IMHO ganz klar nein, weil es eben keine neu entstandene Art, sondern lediglich ein fertiler Hybrid ist. Sympatrische Artbildung bedeutet, dass eine neue Art aus EINER bereits bestehenden Art entsteht. Das heißt, Art A oder Art B hätte weiterhin isoliert bleiben müssen und dann hätte sich eine neue Art daraus entwickeln können. Allopatrische Artbildung sowieso nicht, da sie jetzt ja durch menschliches Einwirken in einem Biotop vorkommen. weitergedacht: Art A und Art B sind beides keine validen Arten, da biologisch nicht vertretbar. Es handelt sich nur um ähnliche Varianten/Rassen der gleichen Art und der Hybrid ist eine weitere. Hab ich einen Denkfehler? lg Daniel |
Moin Daniel,
..ich bin da ja kein ausgebildeter Experte, aber ich denke Folgendes: nach dem biologischen Artkonzept gelten nur Arten als "gute" Arten, die sich nicht untereinander fertil fortpflanzen können. Ob sie die Gelegenheit dazu haben, spielt in dem Konzept keine Rolle. Ergo: Schon "Art" A und B sind keine gute Arten nach dem biologischen Artkonzept, da sie sich untereinander fortpflanzen können, wie die Entstehung des "Hybriden" zeigt. Stattdessen hast Du es mit zwei Standortvarianten einer Art zu tun, die sich bei Herstellung einer Verbindung in einer Übergangszone ("Hybrid") vermischen können. Selbst wenn A dort, wo B lebt, nicht überleben kann, reicht das (nach biologischem Artkonzept) nicht aus: solange Genfluss zwischen den beiden Formen (über wieviele Zwischenformen auch immer) möglich ist, handelt es sich um Varianten (Rassen, Unterarten, was auch immer) einer Art. Warst Du in Hannover (BSSW letztes Jahr) Samstag noch länger auf..? Da hab ich ein ähnliches Thema lange mit Ian Fuller, Ingo und Andi diskutiert. Eine unserer Schlussfolgerungen war, dass Verbreitungsbarrieren ggf. das Ausbilden von Fortpflanzungsbarrieren verhindert (ist ja nicht "nötig") und sich deshalb weit voneinander entfernt vorkommende Arten eher kreuzen, sympatrisch vorkommende eher nicht (die mussten ja Fortpflanzungsbarrieren aufbauen). Ähnliches dürfte hier auch gelten. Grüße, Sandor |
Hi Sandor,
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lg Daniel |
Hi Daniel,
ich denke mal, du hast dabei den Denkfehler den viele Leute begehen. Es gibt in der Biologie leider nicht DEN Artbegriff, sondern mehrere unterschiedliche Artdefinitionen. Es gab da auch mal hier im Forum ein(ige) Diskussionen darüber. Es sind wohl rund ein DUTZEND verschiedene Artdefinitionen. Auch ist wohl das Kernproblem, dass wir mit möglicherweise völlig unbrauchbaren Mitteln versuchen ein System aus der Natur in ein künstliches 2-dimensionales Gebilde pressen wollen. Leider fehlt uns dafür aber noch viel zu viel Wissen. Wir hatte gerade am letzten Wochenende einige Diskussionen darüber mit Michael Hardman, Jools, Ingo und einigen weiteren Leuten. Gerade das Erstellen von Stammbäumen der Verwandschaft von Fischen ist eine hochkomplexe und schwierige Angelegenheit. Auch die Gensequenzierung bringt dabei nicht immer klare Ergebnisse. Zum Beispiel bei den Corydoras gibt es eine Arbeit von Markos Alexandrou über Artentstehung und Coexistenz bei den Corydoradinae, wobei einige seiner Verwandtschaftseinordnungen doch sehr überraschend waren. Markos arbeitete dabei basierend auf Ergebnissen von Gensequenzierungen. Ein weiteres Hauptproblem ist, dass in der Biologie doch eh alles im Fluß ist und sich nicht 100-ig in ein statisches System pressen lässt. Viele Vorgänge könenn wir halt so schnell noch nicht einmal annähernd begreifen. LG Andi |
Hallo!
Dann will ich doch auch mal ;) Wenn sich A und B klar unterscheiden lassen und dann auch noch in getrennten Habitaten vorkommen, würde ich sie wohl als gute Arten ansehen. (Löwe und Tiger kreuzen sich auch, und jeder wird sie wohl als Arten durchgehen lassen) Hybriden aber als neue Arten zu bezeichnen halte ich für Humbug... Alles andere hat andi wohl schon gesagt... Grüße, Christian |
Hi Andi, Hi Christian,
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lg Daniel |
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Vorsicht Christian, das sieht man in neueren Arbeiten zur Evolution langsam aber sicher ganz anders, hier ein Abstract dazu von2 führenden deutschen Evolutionsbiologen: Trends in Genetics Volume 26, Issue 2, February 2010, Pages 54-58 doi:10.1016/j.tig.2009.12.001 Opinion Understanding the onset of hybrid speciation Arne W. Noltea and Diethard Tautz a Max-Planck-Institut fuer Evolutionsbiologie, Abteilung Evolutionsgenetik, August-Thienemannstrasse 2, 24306 Ploen, Germany Available online 13 January 2010. Natural hybridization between closely related taxa is a common phenomenon in both plants and animals. Hybridization has often been viewed as a destructive force that could erode established gene pools, but it is increasingly being recognized as a potentially creative force in evolution because it can lead to a mixture of novel genotypes, some of which have the potential for rapid adaptation to new environmental conditions. However, the evolutionary dynamics leading to the emergence of newly adapted gene pools after hybridization are largely unexplored. Here, we argue that the identification and analysis of the dynamic processes that occur after the first contact deserve specific attention, because this is the phase where hybrid speciation is most different from other forms of speciation. Grüße Jost |
Hallo Jost!
Danke! Grüße, Christian |
Dafür!
Hi zusammen,
hier mal mit open-acces von Schliewen und Klee 2004: link Ich zitiere daraus: "Using canonical phylogenetic ordination and tree-based tests we infer that hybridization of two ancient lineages resulted in the formation of a new and ecologically highly distinct species, Pungu maclareni." Dies ist fast genau die Situation die Daniel oben schildert, nur das die beiden "alten" Arten schon sympatrisch entstanden sein sollen. Ich habe kürzlich einen Vortrag von A. Nolte gehört indem es genau darum ging und wie mit neuesten "454 massive-sequencing" Methoden die Mechanismen untersucht werden. Modelle sind zB. momentan Koppen in den Niederlanden - hier ist eine neue Art durch Hybridisierung in den letzen +/- 200 Jahren entstanden (zB.: link), exakt wie in Daniels Beispiel nach menschlichem Eingreifen (Dämme, Kanäle etc.). Ein anderes Modell von Arne ist das Rotauge ("der Fisch der wohl schon mit fast allen anderen Arten in Europa Sex hatte") und die Brachse die tw. extrem häufig hybridisieren. Wieso dann die beiden Arten immer noch existieren, was die evolutiven Vorteile solcher "gemeinsamer" Genpools ist und anderes steht im Fokus. Ein interessantes Feld und mich würde es nicht wundern wenn auch etliche Loricariiden auf ähnliche Ereignisse zurückgehen... Fazit: neue Arten können durch Hybridisierung entstehen, ob das dann streng genommen sympatrisch oder parapatrisch ist, ist ein wenig Haarspalterei, kommt also wie immer auf die Definition an (für deinen Lehrer zB.: pdf). Schön das ihr euch mit sowas beschäftigen dürft, weiter so! Gruss, Hias |
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