Ich glotz TV!
Registriert seit: 29.01.2004
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Hallo Rolo,
Du schreibst, ich stelle "voller Euphorie die Wissenschaft irgendwie auf ein idealisiertes Unfehlbarkeitspodest."
Wenn das bei Dir so angekommen ist, so kann ich nur beteuern, dass das absolut nicht meine Intention war. Gleichwohl bin ich jedoch der Meinung, dass die Wissenschaft (und in vielen Fällen eben nur die Wissenschaft) Möglichkeiten und Chancen bietet, auf Fragen Antworten zu finden, auf welche man ohne die Methoden der Wissenschaft eben verzichten müsste.
Dass Wissenschaft das alleinige Allheilmittel für Alles und Jenes ist, wirst Du von mir nicht zu hören bekommen (obwohl es leider anscheinend so angekommen ist).
Ganz im Gegenteil: Wenn sich Wissenschaft nämlich isoliert und neuen Impulsen und Gedanken aus "nichtwissenschaftlichen" Bereichen gegenüber verweigert, praktisch Wissenschaft der Wissenschaft willen betreibt, quasi zum Selbstzweck, dann wird sie auf lange Sicht kläglich versagen.
Deshalb würde ich es auch begrüssen, wenn so mancher Wissenschaftler einmal von seinem hohen Ross absteigen und sich nicht gegen alles verwehren würde mit dem Hinweis "Das was DIE da machen, das ist ja unwissenschaftlich. Damit befassen WIR uns nicht".
Für die Aquarianer hingegen auf der anderen Seite, um beim Beispiel Aquaristik zu bleiben, gilt in gewissem Masse das Analoge. Fragen, die sich aus der Beschäftigung mit ihrem Hobby ergeben, mit einem Achselzucken zu beantworten, oder "Ich weiss nicht", "Ist mir doch egal", "Es ist halt so", "Egal, Hauptsache, es funktioniert" oder "Das hat irgendwie, irgendwo, irgendwann mal einer gesagt, also wird's schon stimmen", ist meiner Meinung nach nicht nur in diesem konkreten Beispiel falsch, sondern einfach grundlegend mal eine falsche Einstellung, die Niemanden und Nichts weiter bringt.
Wenn Du schreibst, die Aquaristik müsse sich aus dem Fenster lehnen, um überhaupt von der Wissenschaft wahrgenommen zu werden, dann glaube ich feststellen zu können, dass wir in dem Punkt exakt auf der gleichen Wellenlänge liegen.
Und dass Aquaristik und Wissenschaft Hand in Hand gehen (sollten), dafür plädiere ich doch die ganze Zeit.
Wir als Aquarianer sollten uns nicht alleine auf unsere (beschränkten) Möglichkeiten und Fähigkeiten verlassen, und anderseits nicht blindlings einer Wissenschaft folgen wollen, die sich eigentlich von uns abwendet, sondern gemeinsam nach Wegen suchen, Erkenntnisse und Wissen zu mehren.
Denn hier gilt es doch, durch Offenheit und Aufgeschlossenheit auf BEIDEN Seiten die Synergieeffekte zu nutzen, die durch Kooperation an der Verwirklichung eines gemeinsamen Zieles entstehen, und zwar zum Nutzen ALLER beteiligten Parteien.
Du sprichst die Fehlbarkeit der Wissenschaft an.
Da haben wir es allerdings mit einem ernsthaften Problem zu tun, dessen Wurzel wohl grundsätzlich in der Natur des Menschen liegt. Der Mensch ist eben nicht perfekt, und er macht Fehler, und er wird auch in Zukunft weitere Fehler machen. Wichtig dabei ist eben, dass dergleiche Fehler nicht ein zweites Mal begangen wird. Und genau da ist eben die Wissenschaft selbst gefragt und aufgefordert, ihre erworbenen Kenntnisse ständig unter Zuhilfenahme des kontinuierlich anwachsenden Wissens und Einbeziehung des technischen Fortschritts auf Denk- und Verfahrensfehler hin zu überprüfen.
Deshalb die Wissenschaft von vorneherein verteufeln zu wollen, ist sicherlich ebenso falsch wie sie als Allheilmittel zu betrachten. Jedoch, ihre Dienste sind unbestritten (und unverzichtbar), andernfalls würde es das, was wir heute als Aquaristik bezeichnen, überhaupt nicht geben (tatsächlich würden wir alle wie vor tausenden Jahren leben).
Du bezeichnest meine Vorstellungen von Aquaristik, von Wissenschaft und von Aquaristik als eine Wesensverwandte der Wissenschaft als naiv und blauäugig und schreibst, ich schiesse meilenweit über jegliches realistische Ziel hinaus, und dass etwas gebremster Schaum durchaus effektivere Ergebnisse zeitigen würde.
Darauf möchte ich Dir entgegnen, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass ich hier von (m)einem Idealbild der Aquaristik ausgehe.
Ich weiss auch, dass es sich hier zunächst einmal um theoretische Erörterungen handelt, verknüpft mit Wünsche, Vorstellungen und Hoffnungen, wie sich die Aquaristik in der Zukunft weiterentwickeln könnte/sollte/müsste.
Wenn ich jedoch meine Ziele gleich von vorneherein im Angesicht (und im sicheren Wissen) der zahlreichen Probleme, die eine praktische Umsetzung meiner Forderungen ergeben würde, nach unten korrigierte, hätte ich meiner Meinung nach schon den Fehler gemacht, nicht wenigstens nach dem Optimalen zu streben (oder wenigstens versuchen zu streben, oder streben zu wollen). Mit Kompromissen *anzufangen*, halte ich für unklug. Die Zeit, Kompromisse zu machen, kommt früh genug.
Das ist in meinen Augen keine Naivität oder Blauäugigkeit, sondern Idealismus.
Und wenn Idealisten, Praktiker und Leute, die die nötigen Mittel verfügen, jeweils unter einen Hut zu bringen wären (und dann auch noch im richtigen Verhältnis zueinander), so wäre der Menschheit in vielen Dingen schon arg geholfen.
--Michael
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