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Alt 27.10.2005, 13:44   #2
tomkom2
Wels
 
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Hallo Sandor,

ein wirklich heikles Thema das du anschneidest, damit beschäftige ich mich auch seit ein paar Tagen. Der Artbegriff wurde und wird unter verschiedenen Lagern der Systematiker (die Biologen die damit am meisten zu tun haben sollten) sehr kontrovers diskutiert. Jemand der Ahnung davon hat (Mayden) listet in einem paper von 1997 sogar 22 verschiedene Konzepte auf um den Begriff Art zu definieren! Das Konzept das du und wohl die meisten anderen gelehrt bekommen haben schimpft sich "biologisches Artkonzept" und geht auf die 1930er zurück, ein prominenter Anhänger war E. Mayr der es so formulierte: " a group of actually or potentially interbreeding populations, which are reproductively isolated from other such groups". So ein Konzept funktioniert nur gut bei sympatrischen (zusammen vorkommenden) Populationen von denen eben bekannt ist das sie sich nicht untereinander fortpflanzen, was aber bei den tausenden allopatrischen (geographisch getrennten) Populationen? Im Labor Kreuzungsversuche durchzuführen um dem Konzept gerecht zu werden ist unmöglich.
Mit dem Aufkommen der phylogenetischen Systematik (vgl. Tree of Life) wonach eben die Einteilung von Lebewesen nur nach ihrem Verwandtschaftsgrad erfolgt wurde klar das das biologische Artkonzept hierfür nichts taugt. Heute wird meist ein Artkonzept angewendet das zwischen einem evolutiven und einem phylogenetischem Konzept rangiert. Das bedeutet eine Art ist eine reale Einheit in der Natur (nicht alle akzeptieren das!) und als Abstammungslinie einer ursprünglichen Population anzusehen die ihre eigene Identität gegenüber anderen Linien behält und ein eigenes evolutionäres Schicksaal mit eigenen evolutiven Tendenzen besitzt (frei nach Simpson). Wie gesagt es gibt etliche ähnlicher Definitionen und manche arten in Haarspalterei aus möchte man meinen. Die Praxis sieht wohl so aus das eine Art dann als eigene Art beschrieben wird wenn der Taxonom sie als ausreichend diagnostizierbar und abgrenzbar gegenüber den nächstverwandten Arten hält.
Das Problem mit dem biologischen Artkonzept ist eben das sehr viele gute Arten untereinander fruchtbare Nachkommen erzeugen könnten , auch unter verschiedenen Gattungen wenn ich nicht irre (zB: Hasel X Aitel ???). Es gibt etliche natürliche Hybridformen unter Amphibien, Reptilien und Fischen und dort tut man sich mit dem biologischen Artonzept ebenfalls schwer.

Zitat Sandor: "Oder hab ich da vielleicht den blinden Fleck getroffen, den Biologen lieber verdrängen?"

Antwort: Ja! Ich denke viele Biologen haben sich nie mit dieser doch wichtigen Frage auseinander setzen müssen. Das Problem ist nur die Art ist DIE Einheit mit der der Genetiker, der Ökologe, der Mikrobiologe, der Paläontologe und der ganze Rest arbeiten!!!

Grüße aus dem sonnigen Bayern,

Matthias
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