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07.04.2007, 20:46 | #1 |
L-Wels Gott
Registriert seit: 27.03.2005
Ort: Erie, CO USA
Beiträge: 1.273
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01. Physiologische Effekte von CO2 auf Wirbellose und Fische
Hallo Forum,
wie ja die meisten wissen, habe ich so meine prinzipiellen Bedenken mit der FAQ, weshalb mir der Beitrag an dieser Stelle etwas gegen den Strich geht. Ich habe mich hier allerdings mit einem kontroversen Thema einmal auf wissenschaftlicher Basis auseinandergesetzt und ein etwas längeres (dafür aber möglichst umfassendes) Posting geschrieben mit der Folge, dass der Beitrag zu lang für die Forensoftware ist, also nicht mehr ohne weiteres im normalen "Forenbetrieb" darstellbar geschweige denn formatierbar war. Freundlichweise hat mir das Team die Möglichkeit gegeben, den Beitrag im Bereich der FAQ fertig zu stellen (hier sind längere Beiträge möglich) und an das Forenformat anzupassen. Dafür ein herzliches "Danke Schön!", ich bin mir durchaus bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist! Ich bitte alle konstruktiv am Forum Interessierten, sich Gedanken zu machen, an welcher Stelle im Forum dieser Bericht am besten aufgehoben ist. Das Forenteam würde gern vermeiden, dass er im Laufe der Zeit in den Weiten des Forums verschwindet (das freut mich natürlich.. ). Ich habe, wie schon geschrieben, prinzipielle Bedenken gegen eine Veröffentlichung im Rahmen der FAQ. Deshalb bitte ich alle ernsthaft Interessierten, mir zum Einen, falls vorhanden, Vorschläge zukommen zu lassen, wie dieses "Problem" anderweitig gelöst werden könnte. Sollte mir (wenn´s keine Alternative gibt) gleichzeitig eine Mehrheit klarmachen können, warum der Bericht unbedingt in die FAQ müsste (bitte per PN, nicht den Thread zumüllen!), würde ich mich einem deutlichen Votum der Forenmitglieder nicht wiedersetzen. Außerdem wünsche ich mir natürlich eine (auf Fakten basierende) Diskussion des Themas! Wie weiter unten schon zu sehen ist, es geht hier NICHT um Pro/Contra CO2-Düngung! Der folgende Beitrag ist aus historischen Gründen im Stile eines Foreneintrags geschrieben (als das war er mal gedacht). Wenn das Thema hier einigermaßen durchdiskutiert ist, werde ich eventuelle Anmerkungen und zusätzlichen Quellen in den Text einarbeiten und einen "richtigen" Bericht daraus stricken. Grüße, Sandor
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"What gets us into trouble is not what we don´t know. It´s what we know for sure that just ain´t so." --Mark Twain Geändert von L-ko (15.04.2007 um 08:52 Uhr). |
07.04.2007, 20:52 | #2 | |||||||||||
L-Wels Gott
Registriert seit: 27.03.2005
Ort: Erie, CO USA
Beiträge: 1.273
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Physiologische Effekte von CO2 auf Wirbellose und Fische
Hallo,
einer der hiesigen Mods hat mich doch glatt (freundlich) genötigt, meine Aussagen in diesem Thread: https://www.l-welse.com/forum/showthread.php?t=15120 zur Giftigkeit von CO2 zu "belegen", dabei dachte ich immer, Walter sei schon die letzte Instanz.. Weil mich die Sache aber weiterhin beschäftigt hat, hab ich vor einiger Zeit mal eine intensivere Recherche zu dem Themenkomplex gestartet, denn (wie ja hier auch des Öfteren) kriege ich auf Aussagen zur Giftigkeit von CO2 immer wieder um die Ohren gehauen, das hätte man ja schon immer so gemacht und deshalb könne das ja nicht schädlich sein... Ich will hier KEINE(!) Diskussion über Sinn und Unsinn von pH-Senkung durch CO2 starten, davon gibt es schon genug. Ich habe ne Meinung dazu, bis mir jemand das Gegenteil beweist, behalte ich die auch. Dass in manchen Aquarien CO2-Düngung notwendig ist, bestreite ich nicht. Allgemeine Empfehlungen dahingehend kann ich nicht unterstützen. Zunächst ein allgemeiner Hinweis: Wie die meisten wissen, bin ich kein Biologe oder ähnliches. Dementsprechend bin ich auf meine Freunde Google und Google Scholar angewiesen (deren häufigere Benutzung bei der Recherche ich mir auch hier im Forum wünschen würde, aber das hatten wir ja schon.. ). Ob es bessere Datenbanken und Recherche-Programme für Biologen gibt, weiß ich nicht, ich kenne die nur aus der Chemie (und die liefern natürlich keinen ordentlichen Überblick über biologische Themen...). Falls also jemand bessere Primärliteratur zur Verfügung hat, darf er (sie) die gern in die Diskussion einbringen. Aber dann bitte mit Quelle! Für meine Bequemlichkeit basiere ich das Folgende einfach auf einer einzigen Quelle (eine Art "Review"), ich hab noch ein paar andere Quellen, die sagen aber nichts wesentlich neues aus. Alle hier aufgeführten Zitate stammen aus einer externen Expertise für den WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung: Globale Umweltveränderungen), www.wbgu.de. Ich denke, wenn das Paper für die Politik bestimmt ist, ist es auch für uns Nicht-Biologen verständlich.. . Die Expertise ist online zugänglich (PDF, 85 Seiten): Auswirkungen von Temperaturerhöhung und CO2-Eintrag auf die marine Biosphäre https://www.wbgu.de/wbgu_sn2006_ex04.pdf Dabei habe ich versucht, einen umfassenden Überblick zu geben und lasse im wesentlichen den Verfasser der Studie (Dr. H.-O. Pörtner, vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung) für mich sprechen (indem ich zitiere und die Zitate ggf. kommentiere). Gleichzeitig habe ich versucht, nur die für uns als (wissenschaftlich interessierte) Fischhalter wichtigen Aspekte zu übernehmen. Für den vollständigen Überblick kann jeder, der einen PDF-Reader hat, die Studie selbst lesen. Die Expertise ist (wie eigentlich alle Quellen, die ich habe finden können) auf Meeresgetier bezogen. Der Hintergrund ist einfach (und daher stammt auch die Expertise) das CO2-Problem unserer Wirtschaft und Pläne, CO2 in Bergwerke zu pumpen oder (darum geht´s hier) in der Tiefsee zu "verklappen". Um die Effekte von erhöhten CO2-Konzentrationen ermessen zu können, hat Dr. Pörtner hier versucht, den aktuellen (von 2006) Wissensstand zusammenzufassen. Einiges hiervon ist sicherlich für uns von untergeordneter Bedeutung, aber da auch so mancher Wirbellose pflegt und ich außerdem davon überzeugt bin, dass prinzipielle Wirkungsmechanismen zumindest qualitativ identisch sind, sollten die Ergebnisse von maritimer Fauna auch unsere Fische zu übertragen sein. Konkrete Grenzkonzentrationen sind dabei natürlich mit Vorsicht zu genießen, aber ich bin sowieso davon überzeugt, dass verallgemeinernde Aussagen kritisch sind. Die Zitiermethode von Pörtner habe ich etwas an die mir geläufigere, in der Chemie üblichere Variante angepasst, ich hoffe, der Autor kann mir das verzeihen.. Die Zitate befinden sich gesammelt am Ende meines Beitrags. Zum Thema: Erstmal zur Einstimmung Fragen zum physiologischen Hintergrund von CO2 in wasseratmenden Tieren (das sind Wirbellose wie Fische): Zitat:
Den Teil zu Korallen usw. hab ich mal rausgelassen, uns interessieren die Fische, die hier kommen (erst mal die allgemeinen Effekte): Zitat:
Zitat:
Weiter im Text, zur Frage der Beeinflussung des Körper-pH-Werts (dass CO2 den pH-Wert beeinflussen kann, muss ich ja nicht weiter belegen..?) : Zitat:
Stellt sich die Frage, bei welchen Konzentrationen das passiert (bezieht sich hier natürlich auf Erhöhungen der CO2-Konzentration in der Luft, hervorgerufen durch den Menschen): Zitat:
Zu den konkreten Effekten auf Tiere, gegliedert in akute wie chronische Effekte (erstere dürften im Aquarium eher schwierig zu erzeugen sein): Zitat:
Zur akuten Toxizität bei Fischen: Zitat:
Zitat:
Neben den akuten gibt es aber natürlich auch hier chronische Effekte (und für uns anscheinend von signifikanterer Bedeutung): Zitat:
Und noch ein Wort zu Konzentrationen: Zitat:
Zitat:
Trotzdem: Ich bleibe dabei, CO2-Düngung kommt mir nicht in die Becken und jedes bisschen Strömung, das CO2 austreiben kann, ist willkommen. Wenn ich mal ein Pflanzenbecken einrichten sollte, mag sich das natürlich (für den einen Fall) ändern. Grüße, Sandor Die gesammelten Zitate: [1] Pörtner H.O., M. Langenbuch, and B. Michaelidis: Synergistic effects of temperature extremes, hypoxia and increases in CO2 on marine animals: from earth history to global change. J. Geochem. Res. – Oceans, in press [2] Auerbach D., J.A. Caulfield, E.E. Adams and H.J. Herzog (1997): Impacts of ocean CO2 disposal on marine life: I. A toxicological assessment integrating constant concentration laboratory assay data with variable-concentration field exposure. Env. Model. Assessment,2, 333-343. [3] Shirayama Y. (1995): Current status of deep-sea biology in relation to the CO2 disposal. In Direct ocean disposal of carbon dioxide, ed. by N. Handa and T. Oshumi, Terra Scient. Publ. Comp., Tokyo, p. 253-264. [4] Pörtner H.O. and A. Reipschläger (1996): Ocean disposal of anthropogenic CO2: physiological effects on tolerant and intolerant animals. pp. 57-81. In Ocean Storage of CO2. Environmental Impact, ed. by B. Ormerod and M. Angel, Massachusetts Institute of Technology and International Energy Agency, Greenhouse Gas R&D Programme, Cheltenham/Boston. [5] Ishimatsu A., T. Kikkawa, M. Hayashi, K-S. lee and J. Kita (2004): Effects of CO2 on marine fish: larvae and adults. J. Oceanogr. 60, 731-741. [6] Jouve-Duhamel A. and J.P. Truchot (1983): Ventilation on the shore crab Carcinus maenas as a function of ambient oxygen and carbon dioxide: Field and laboratory studies. J. Exp. Mar. Biol. Ecol.70, 281-296. [7]Burleson M.L. and N.J. Smatresk (2000): Branchial chemoreceptors mediate ventilatory response to hypercapnic acidosis in channel catfish. Comp. Biochem. Physiol. A, 125, 403-414. [8] McKendry J.E., W.K. Milsom and S.F. Perry (2001): Branchial CO2 receptors and cardiorespiratory adjustments during hypercarbia in Pacific spiny dogfish (Squalus acanthias). J. Exp. Biol. 204, 1519-1527. [9] McKenzie D.J., E.W. Taylor, A.Z. Dalla Valle and J.F. Steffensen (2002): Tolerance of acute hypercapnic acidosis by the European eel (Anguilla anguilla). J. Comp. Physiol. B 172, 339-346. [10] Reipschläger A., G.E. Nilsson and H.O. Pörtner (1997): Adenosine is a mediator of metabolic depression in the marine worm Sipunculus nudus. Am. J. Physiol. 272, R350-R356. [11] Pörtner H.O., C. Bock and A. Reipschläger (2000): Modulation of the cost of pHi regulation during metabolic depression: a 31P-NMR study in invertebrate (Sipunculus nudus) isolated muscle. J. Exp. Biol. 203, 2417-2428. [12] Langenbuch M. and H.O. Pörtner (2002): Changes in metabolic rate and N-excretion in the marine invertebrate Sipunculus nudus under conditions of environmental hypercapnia: identifying effective acid-base parameters. J. Exp. Biol. 205, 1153-1160. [13] Evans D.H. (1984): The roles of gill permeability and transport mechanisms in euryhalinity. p. 239-283. In Fish Physiology, Vol. XA, ed. by W.S. Haar, D.J. Randall, Academic Press, New York. [14] Cameron J.N. and G.K. Iwama (1989): Compromises between ionic regulation and acid-base regulation in aquatic animals. Can. J. Zool., 67, 3078-3084. [15] Whiteley N.M., J.L. Scott, S.J. Breeze and L. McCann (2001): Effects of water salinity on acid-base balance in decapod crustaceans. J. Exp. Biol. 204, 1003-1011. [16] Langenbuch M. and H.O. Pörtner (2003): Energy budget of Antarctic fish hepatocytes (Pachycara brachycephalum and Lepidonotothen kempi) as a function of ambient CO2: pH dependent limitations of cellular protein biosynthesis? J. Exp. Biol. 206, 3895-3903. [17] Kikkawa T., A. Ishimatsu and J. Kita (2003): Acute CO2 tolerance during the early developmental stages of four marine teleosts. Env. Toxicol. 18, 375-382. [18] Langenbuch, M., and H.O. Pörtner (2004): High sensitivity to chronically elevated CO2 in a eurybathic marine sipunculid. Aquatic Toxicol. 70, 55–61. [19] Tamburrini M., M. Romano, V. Carratore, A. Kunzmann, M. Coletta and G. diPrisco (1998): The hemoglobins of the Antarctic fishes Artedidraco orianae and Pogonophryne scotti. J. Biol. Chem. 273, 32452-32459. [20] Pörtner H.O. (1990): An analysis of the effects of pH on oxygen binding by squid (Illex illecebrosus, Loligo pealei) haemocyanin. J. Exp. Biol., 150, 407-424. [21] Pörtner H.O. (1994): Coordination of metabolism, acid-base regulation and haemocyanin function in cephalopods. Mar. Freshw. Behav. Physiol. 25, 131-148. [22] Pörtner H.O. and S. Zielinski (1998): Environmental constraints and the physiology of performance in squids. In Cephalopod Biodiversity, Ecology and Evolution, ed. by A.I.L. Payne, M.R. Lipinski, M.R. Clarke, and M.A.C. Roeleveld. South African Journal of Marine Science 20, 207-221. [23] Crocker C.E. and J.J. Cech (1996): The effects of hypercapnia on the growth of juvenile white sturgeon, Acipenser transmontanus. Aquaculture 147, 293-299. [24] Ingermann R.L., M. Holcomb, M.L. Robinson and J.G. Cloud (2002): Carbon dioxide and pH affect sperm motility of white sturgeon (Acipenser transmontanus). J. Exp. Biol. 205, 2885-2890. [25] Seibel B.A. and P.J. Walsh (2001): Potential impacts of CO2 injections on deep-sea biota. Science 294, 319-320. [26] Lutz P.L. and G.E. Nilsson (1997): Contrasting strategies for anoxic brain survival - glycolysis up or down. J. Exp. Biol. 200, 411-419. [27] Boutilier R. G., Iwama G. K., Randall D. J., The promotion of catecholamine release in rainbow trout, Salmo gairdneri, by acute acidosis: interactions between red cell pH and haemoglobin oxygen-carrying capacity, Journal of Experimental Biology, 1986, 1, 145-157.
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"What gets us into trouble is not what we don´t know. It´s what we know for sure that just ain´t so." --Mark Twain |
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15.04.2007, 08:57 | #3 |
Welsfan
Registriert seit: 20.12.2004
Ort: 99427 Weimar
Beiträge: 3.673
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Hallo Sandor,
vielen Dank für Deine super Arbeit! Beste Grüße Elko |
15.04.2007, 10:45 | #4 |
Welspapa
Registriert seit: 18.11.2003
Ort: Berlin
Beiträge: 126
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Hi Sandor,
nichts gegen Hans-Otto, aber ich halte die von Dir in Auszügen dargestellte Arbeit als nicht gerade gut geeignet, um etwas über die Wirkung von CO2 auf Welse zu erfahren. Herr Pörtner ist eher Ökophysiologe mit einem sehr guten physiologischen Hintergrund. Bekannt ist er geworden mit seiner Hypothese zur Limitierung von Atemgasaustausch durch Temperaturerhöhung. Es gibt natürlich genügend Quellen für "biologische" Arbeiten wie auch für chemische und ich denke, die meisten (WEB of Science, pubmed, current contents ...) sind sogar die gleichen. Ich würde Dir eher empfehlen, ein paar aktuelle Arbeiten oder Reviews zur Fischatmung durchzulesen und dann die dort zitierten wichtigen Originalarbeiten zu lesen. cheers Stefan Portner, H. O. und Knust, R. (2007). Climate change affects marine fishes through the oxygen limitation of thermal tolerance. Science 315 (5808): 95-97. Evans, D. H., Piermarini, P. M. und Choe, K. P. (2005). The multifunctional fish gill: Dominant site of gas exchange, osmoregulation, acid-base regulation, and excretion of nitrogenous waste. Physiological Reviews 85 (1): 97-177. Gilmour, K. A., Milsom, W. K., Rantin, F. T., Reid, S. G. und Perry, S. F. (2005). Cardiorespiratory responses to hypercarbia in tambaqui Colossoma macropomum: chemoreceptor orientation and specificity. Journal of Experimental Biology 208 (6): 1095-1107. Reid, S. G., Perry, S. E., Gilmour, K. A., Milsom, W. K. und Rantin, F. T. (2005). Reciprocal modulation of O2 and CO2 cardiorespiratory chemoreflexes in the tambaqui. Respiratory Physiology & Neurobiology 146 (2-3): 175-194.
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