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Alt 07.04.2007, 20:46   #1
Borbi
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01. Physiologische Effekte von CO2 auf Wirbellose und Fische

Hallo Forum,

wie ja die meisten wissen, habe ich so meine prinzipiellen Bedenken mit der FAQ, weshalb mir der Beitrag an dieser Stelle etwas gegen den Strich geht.
Ich habe mich hier allerdings mit einem kontroversen Thema einmal auf wissenschaftlicher Basis auseinandergesetzt und ein etwas längeres (dafür aber möglichst umfassendes) Posting geschrieben mit der Folge, dass der Beitrag zu lang für die Forensoftware ist, also nicht mehr ohne weiteres im normalen "Forenbetrieb" darstellbar geschweige denn formatierbar war.
Freundlichweise hat mir das Team die Möglichkeit gegeben, den Beitrag im Bereich der FAQ fertig zu stellen (hier sind längere Beiträge möglich) und an das Forenformat anzupassen. Dafür ein herzliches "Danke Schön!", ich bin mir durchaus bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist!

Ich bitte alle konstruktiv am Forum Interessierten, sich Gedanken zu machen, an welcher Stelle im Forum dieser Bericht am besten aufgehoben ist. Das Forenteam würde gern vermeiden, dass er im Laufe der Zeit in den Weiten des Forums verschwindet (das freut mich natürlich.. ). Ich habe, wie schon geschrieben, prinzipielle Bedenken gegen eine Veröffentlichung im Rahmen der FAQ.
Deshalb bitte ich alle ernsthaft Interessierten, mir zum Einen, falls vorhanden, Vorschläge zukommen zu lassen, wie dieses "Problem" anderweitig gelöst werden könnte. Sollte mir (wenn´s keine Alternative gibt) gleichzeitig eine Mehrheit klarmachen können, warum der Bericht unbedingt in die FAQ müsste (bitte per PN, nicht den Thread zumüllen!), würde ich mich einem deutlichen Votum der Forenmitglieder nicht wiedersetzen.

Außerdem wünsche ich mir natürlich eine (auf Fakten basierende) Diskussion des Themas! Wie weiter unten schon zu sehen ist, es geht hier NICHT um Pro/Contra CO2-Düngung!

Der folgende Beitrag ist aus historischen Gründen im Stile eines Foreneintrags geschrieben (als das war er mal gedacht). Wenn das Thema hier einigermaßen durchdiskutiert ist, werde ich eventuelle Anmerkungen und zusätzlichen Quellen in den Text einarbeiten und einen "richtigen" Bericht daraus stricken.

Grüße, Sandor
__________________
"What gets us into trouble is not what we don´t know.
It´s what we know for sure that just ain´t so."
--Mark Twain

Geändert von L-ko (15.04.2007 um 08:52 Uhr).
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Alt 07.04.2007, 20:52   #2
Borbi
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Physiologische Effekte von CO2 auf Wirbellose und Fische

Hallo,

einer der hiesigen Mods hat mich doch glatt (freundlich) genötigt, meine Aussagen in diesem Thread: https://www.l-welse.com/forum/showthread.php?t=15120 zur Giftigkeit von CO2 zu "belegen", dabei dachte ich immer, Walter sei schon die letzte Instanz..

Weil mich die Sache aber weiterhin beschäftigt hat, hab ich vor einiger Zeit mal eine intensivere Recherche zu dem Themenkomplex gestartet, denn (wie ja hier auch des Öfteren) kriege ich auf Aussagen zur Giftigkeit von CO2 immer wieder um die Ohren gehauen, das hätte man ja schon immer so gemacht und deshalb könne das ja nicht schädlich sein...
Ich will hier KEINE(!) Diskussion über Sinn und Unsinn von pH-Senkung durch CO2 starten, davon gibt es schon genug. Ich habe ne Meinung dazu, bis mir jemand das Gegenteil beweist, behalte ich die auch. Dass in manchen Aquarien CO2-Düngung notwendig ist, bestreite ich nicht. Allgemeine Empfehlungen dahingehend kann ich nicht unterstützen.

Zunächst ein allgemeiner Hinweis: Wie die meisten wissen, bin ich kein Biologe oder ähnliches. Dementsprechend bin ich auf meine Freunde Google und Google Scholar angewiesen (deren häufigere Benutzung bei der Recherche ich mir auch hier im Forum wünschen würde, aber das hatten wir ja schon.. ). Ob es bessere Datenbanken und Recherche-Programme für Biologen gibt, weiß ich nicht, ich kenne die nur aus der Chemie (und die liefern natürlich keinen ordentlichen Überblick über biologische Themen...). Falls also jemand bessere Primärliteratur zur Verfügung hat, darf er (sie) die gern in die Diskussion einbringen. Aber dann bitte mit Quelle!

Für meine Bequemlichkeit basiere ich das Folgende einfach auf einer einzigen Quelle (eine Art "Review"), ich hab noch ein paar andere Quellen, die sagen aber nichts wesentlich neues aus.

Alle hier aufgeführten Zitate stammen aus einer externen Expertise für den WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung: Globale Umweltveränderungen), www.wbgu.de. Ich denke, wenn das Paper für die Politik bestimmt ist, ist es auch für uns Nicht-Biologen verständlich.. .
Die Expertise ist online zugänglich (PDF, 85 Seiten):

Auswirkungen von Temperaturerhöhung und CO2-Eintrag auf die marine Biosphäre
https://www.wbgu.de/wbgu_sn2006_ex04.pdf

Dabei habe ich versucht, einen umfassenden Überblick zu geben und lasse im wesentlichen den Verfasser der Studie (Dr. H.-O. Pörtner, vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung) für mich sprechen (indem ich zitiere und die Zitate ggf. kommentiere). Gleichzeitig habe ich versucht, nur die für uns als (wissenschaftlich interessierte) Fischhalter wichtigen Aspekte zu übernehmen. Für den vollständigen Überblick kann jeder, der einen PDF-Reader hat, die Studie selbst lesen.

Die Expertise ist (wie eigentlich alle Quellen, die ich habe finden können) auf Meeresgetier bezogen. Der Hintergrund ist einfach (und daher stammt auch die Expertise) das CO2-Problem unserer Wirtschaft und Pläne, CO2 in Bergwerke zu pumpen oder (darum geht´s hier) in der Tiefsee zu "verklappen". Um die Effekte von erhöhten CO2-Konzentrationen ermessen zu können, hat Dr. Pörtner hier versucht, den aktuellen (von 2006) Wissensstand zusammenzufassen.
Einiges hiervon ist sicherlich für uns von untergeordneter Bedeutung, aber da auch so mancher Wirbellose pflegt und ich außerdem davon überzeugt bin, dass prinzipielle Wirkungsmechanismen zumindest qualitativ identisch sind, sollten die Ergebnisse von maritimer Fauna auch unsere Fische zu übertragen sein. Konkrete Grenzkonzentrationen sind dabei natürlich mit Vorsicht zu genießen, aber ich bin sowieso davon überzeugt, dass verallgemeinernde Aussagen kritisch sind.
Die Zitiermethode von Pörtner habe ich etwas an die mir geläufigere, in der Chemie üblichere Variante angepasst, ich hoffe, der Autor kann mir das verzeihen.. Die Zitate befinden sich gesammelt am Ende meines Beitrags.


Zum Thema:

Erstmal zur Einstimmung Fragen zum physiologischen Hintergrund von CO2 in wasseratmenden Tieren (das sind Wirbellose wie Fische):

Zitat:
4. CO2-Effekte auf marine Organismen: Physiologischer Hintergrund
4.2. Weitere CO2-Wirkungen auf wasseratmende Tiere (S. 32)

Die Frage, ob höhere Lebensformen wie Tiere nur über die Nahrungskette von der CO2 -
Anreicherung betroffen sind, kann nach aktuellen Erkenntnissen bereits verneint werden. Auch bei wasseratmenden Tieren sind Prozesse wie Kalzifizierung, Wachstum, Fortpflanzung und Aktivität von erhöhten CO2-Partialdrücken betroffen. Effekte wurden bereits bei Erhöhung auf 560 μatm beobachtet.
[...]
[Fett von mir!]
Den Teil zu Korallen usw. hab ich mal rausgelassen, uns interessieren die Fische, die hier kommen (erst mal die allgemeinen Effekte):
Zitat:
Grundsätzlich ist hier aber die Frage zu stellen, ob nicht die komplexesten Lebensformen, Tiere, auch in diesem Fall direkt und auf lange Sicht am empfindlichsten auf diese Störung reagieren? Diese Frage kann zwar für den Faktor CO2 derzeit nicht eindeutig beantwortet werden; sie drängt sich jedoch auf, da Tiere als Organismen auf der höchsten Organisationsstufe auf die Veränderung anderer Umgebungsfaktoren, z.B. Temperatur, ebenfalls am empfindlichsten reagieren (s. 3.).Kenntnisse der Wirkmechanismen bei Tieren sind erforderlich, um die Bedeutung des Umgebungsfaktors CO2 bewerten zu können.
[...]
Störungen der Atmung, Narkose und Mortalität sind Kurzzeiteffekte auf Tiere bei stark erhöhten CO2-Konzentrationen. Niedrigere CO2-Konzentrationen können aber Langzeiteffekte auslösen, die zunächst subletal bleiben und Prozesse wie Aktivität, Verhalten, Wachstum, Reproduktion und schließlich die Lebensspanne betreffen, mit entsprechenden Konsequenzen auf der Populations- und Ökosystemebene. Hinzu kommen spezifische Empfindlichkeiten unterschiedlicher Lebensstadien wie Eier, Larven und Juvenile. Dabei ist die Empfindlichkeit der Juvenilstadien in der Regel größer als die der Adulten.[1]
[...]
Soviel dazu, die Effekte lassen sich dann (häufig) auch im Einzelnen auf bestimmte Mechanismen zurückführen (die wir dann später genauer erklären werden):
Zitat:
Zunächst wurde die Empfindlichkeit gegenüber erhöhten CO2-Werten auf die Ansäuerung (Absenkung des pH-Wertes) des Wassers zurückgeführt [2,3]. Spezifische Effekte durch CO2 und Bikarbonat müssen jedoch in einer vollständigen Analyse berücksichtigt werden [4]. Zumindest auf kurzen Zeitskalen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Experimenten, bei denen dieselbe Ansäuerung entweder durch Salzsäure (und anschließendes Ausgasen des aus Karbonaten freigesetzten CO2) oder durch Erhöhung des CO2-Partialdrucks herbeigeführt wurde. Unter CO2 wurde kurzfristig eine erhöhte Sterblichkeit von Fischlarven beobachtet [5]. Ein Grund ist sicherlich, dass das hoch-diffusive CO2 rasch über die Epithelien in die Körperflüssigkeiten gelangt.
[...]
Die CO2-Konzentration, an die ein Organismus akklimatisiert ist, wird seine akute kritische Toleranzgrenze beeinflussen. Die Kapazität zur Akklimatisierung und Verschiebung der Toleranzgrenzen wurde jedoch bisher nicht untersucht.
CO2-Effekte sind eher bei wasseratmenden Tieren zu erwarten als bei Luftatmern, deren CO2-Partialdrücke in den Körperflüssigkeiten erheblich höher liegen.
[...]
Bedingt durch die im Vergleich zur Luft etwa 30-fach niedrigere Konzentration des Sauerstoffs im Wasser ist in Relation zur Stoffwechselrate das Ventilationsvolumen bei Wasseratmern im Vergleich zu Luftatmern hoch und in erster Linie durch die begrenzte Verfügbarkeit des Faktors Sauerstoff bestimmt [6]. Dies begründet die niedrigen CO2-Partialdrücke im Blut von Wasseratmern. Bei Knochenfischen (Teleostei) und Haien (Elasmobranchii) wird die Ventilation dennoch durch erhöhte CO2- Konzentrationen stimuliert [7,8,9] [7 testet das Ganze an einem Wels!], mit Konsequenzen für das Energiebudget der Tiere, d.h. die Verteilung von Stoffwechselenergie auf Energieverbraucher im Tier. Aufgrund der geringen CO2-Gradienten zwischen Organismus und Wasser kann ein Anstieg des CO2-Gehaltes im Organismus jedoch nicht verhindert werden.
[...]
Analysen von CO2-Effekten auf die Säure-Basen Regulation wurden häufig durchgeführt, doch in nur wenigen Tierarten mit Untersuchungen des Stoffwechsels kombiniert [10]. Veränderungen der Stoffwechselrate werden durch Veränderungen verschiedener Säure-Basen Parameter (z.B. pH, Bikarbonat) in einem oder mehreren Körperkompartimenten bewirkt [4,11,12]. Die Prozesse der membrangebundenen Ionenregulation reagieren auf respiratorische oder metabolische Säurelasten oder auf Änderungen im Säure-Basen Status so, dass neue Säure-Basen Gleichgewichte in den Körperflüssigkeiten entstehen, die mit Verschiebungen z.B. des betreffenden pH-Wertes verbunden sind.
[...]
Wer also einfach nur eine Bestätigung für Walters Aussage, dass die Atmung durch CO2 gestört wird, sucht, sei auf die Literaturstellen [7,8,9] verwiesen.
Weiter im Text, zur Frage der Beeinflussung des Körper-pH-Werts (dass CO2 den pH-Wert beeinflussen kann, muss ich ja nicht weiter belegen..?) :
Zitat:
Bei Knochenfischen ist der Transfer von Säure-Basen Äquivalenten immer mit Störungen in der Osmoregulation (Salz-Wasser-Haushalt) verbunden, begründet durch die erforderliche Aufnahme von Gegenionen, welche bei marinen Fischen zu einer zusätzlichen Beladung mit Kochsalz um bis zu 10 % führt [13]. Ähnlich wie bei Fischen wurde auch bei decapoden Crustaceen eine starke Beziehung zwischen Säure-Basen Status und der Ionenregulation gefunden. Die Kompensation einer CO2-induzierten Azidose verursacht große und möglicherweise ungünstige Änderungen in der Ionenzusammensetzung des Plasmas und anderer Körperflüssigkeiten [14,15].
[...]
Die neu eingestellten pH-Werte wirken auf membranständige Austauscher[11], auf den Sauerstofftransport und auch auf Stoffwechselgleichgewichte, die für das Wachstum oder die Konzentrationen von Neurotransmittern wichtig sind. [...]Diese Effekte lassen erwarten, dass die meisten Prozesse durch hohe CO2-Werte und niedrige pH-Werte gedrosselt werden. Wesentliche Wirkungen sind die Abnahme funktioneller Kapazitäten und Sauerstoff bzw.Energieumsatzraten bei Azidose. Fallende Proteinsyntheseraten betreffen Funktionen wie Wachstum und Reproduktion [12,16]. Letztendlich steigt die Mortalität [17,18], wobei die auslösenden Faktoren nur bei akuter CO2-Wirkung bekannt sind [siehe Kap. 5.2]
[...]
...Alles klar..? Jetzt wissen wir also, was CO2 alles im Körper eines Fisches anstellen kann und welche Effekte sich damit wissenschaftlich nachweisen lassen.
Stellt sich die Frage, bei welchen Konzentrationen das passiert (bezieht sich hier natürlich auf Erhöhungen der CO2-Konzentration in der Luft, hervorgerufen durch den Menschen):
Zitat:
Viele dieser Befunde wurden bei CO2-Konzentrationen erhoben, die weit über den Werten liegen, die 2100 erwartet werden. Dementsprechend sind weitere Untersuchungen erforderlich, um den potentiellen Einfluss künftiger atmosphärischer CO2-Werte auf die Bestände von Fischen und anderen marine Ressourcen zu erforschen. Auf der Basis der derzeitigen Erkenntnisse kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Bestände aufgrund der generell dämpfenden Wirkung von CO2 auf physiologische Leistungen abnehmen werden. Über das Ausmaß dieser Abnahme kann jedoch bisher nichts gesagt werden.
Man bedenke: Hier ist die Rede von Gleichgewichtskonzentrationen im Austausch mit Umgebungsluft! Die derzeitige Konzentration von CO2 in der Luft liegt bei 0.04% Vol. oder 0.06% Masse. Nachdem ich den aktuellen Klimabericht nicht gelesen habe, weiß ich nicht, was für Konzentrationen für 2100 erwartet werden. Ich bin aber sicher, dass die Konzentrationen, die eine anständige CO2-Düngung hervorruft, darüber liegen..

Zu den konkreten Effekten auf Tiere, gegliedert in akute wie chronische Effekte (erstere dürften im Aquarium eher schwierig zu erzeugen sein):
Zitat:
5. Kurz- und Langzeiteffekte von CO2 bei Tieren
[...]
5.1. Akute CO2-Effekte
[...]
Für viele Tiergruppen ist lange bekannt, dass stark erhöhte CO2-Konzentrationen eine akute Abnahme in der Stoffwechselrate oder sogar Betäubung auslösen können. Dies wird auch durch neuere Untersuchungen an Tiefseefischen bestätigt [19]. Die akute Empfindlichkeit von Tintenfischen, vor allem einiger Kalmare gegenüber erhöhten CO2-Konzentrationen ist durch die extreme pH-Abhängigkeit des Sauerstofftransportes bedingt, der durch das extrazellulär vorliegende Pigment Hämocyanin erfolgt. Ein extrazelluläre Pigment kann nur beschränkt angereichert werden. Die hohe pH-Empfindlichkeit des Hämocyanins ist also durch die Notwendigkeit zu erklären, den Sauerstofftransport bedarfsdeckend zu maximieren. Nur bei sehr gut eingestelltem Blut-pH und exakt kontrollierten pH-Veränderungen zwischen arteriellem und venösem Blut wird das Pigment an den Kiemen mit Sauerstoff beladen und im Gewebe vollständig wieder entladen [20,21]. Dieses Wirkungsgefüge ist naturgemäß gegen eindringendes CO2 und die resultierenden pH-Störungen sehr empfindlich [22].
[...]
Einschränkend muss dazu gesagt werden, dass Fische kein Hämocyanin als Blutfarbstoff haben, sondern Hämoglobin (wie Menschen auch). Bei der Beurteilung der Wirkung von sinkenden pH-Werten auf Hämoglobin im Fischkörper bin ich hauptsächlich auf das Lesen von Abstracts angewiesen. Wenn dieser Artikel [27] (ist für jedermann/-frau lesbar) einigermaßen übertragbar auf andere Fischarten ist (davon gehe ich aus, ist ja im Prinzip das gleiche Hämoglobin), steht allerdings die Sauerstofftransportkapazität bei Salmo gairdneri (Richardson) in direkter Korrelation zum pH-Wert, der wiederum in direkter Korrelation zum CO2-Gehalt des Blutes steht, eine Erniedrigung des pH-Wertes mit Hilfe von Salzsäure zeigt andere Effekte. Das zeigt, dass der Tierkörper an sich ziemlich empfindlich auf Gleichgewichtsverschiebungen gerade im pH-Wert reagiert (gilt ja für Menschen genauso). Auch gilt, dass Junggetier empfindlicher ist als Adulti (überrascht mich nicht wirklich).[Einschub: Wäre interessant, ob man durch Einstellen der CO2-Konzentration Befruchtungsraten einstellen kann; das Folgende würde das unterstützen].
Zur akuten Toxizität bei Fischen:
Zitat:
Bei Fischen liegt die akut wirksame CO2-Konzentration (nach 72 h) dagegen bei 30 000 bis 50 000 ppm (μatm)[5,23]. Bei den frühen Entwicklungsstadien (Eier, Sperma, Larven, Juvenile) ist die Empfindlichkeit allerdings erhöht [5,17,23,24], mit letalen Grenzwerten zwischen 13 000 und 28 000 ppm in Fischlarven.
[...]
Im Vergleich zu marinen Wirbellosen erscheint die Fähigkeit der Fische, eine extrazelluläre Ansäuerung durch erhöhe CO2-Konzentrationen (fast) völlig zu kompensieren, generell erheblich besser ausgebildet (s. 4.2.). Bei Fischen werden dementsprechend keine Störungen in der Sauerstoffbindung am Pigment, sondern Störungen in der Funktion des Herz-Kreislaufsystems als letale Ursache angesehen [5].
[...]
Relativiert prinzipielle Gefahren ein wenig. Offensichtlich sind gerade Fische weniger gefährdet als die weniger hoch entwickelten Würmer, Tintenfische u. ä.. Nichtsdestotrotz sind verallgemeinernde Schlussfolgerungen nicht ungefährlich:
Zitat:
Die generelle Schlussfolgerung, dass die Zahl der akut empfindlichen Tiere eher gering ist, ist jedoch nicht unumstritten, vor allem wenn es um Effekte einer CO2-Einleitung in die Tiefsee geht. Tatsächlich zeigen einige Tiefseetiere eine recht starke pH- Abhängigkeit verbunden mit einer hohen Sauerstoffaffinität ihrer respiratorischen Pigmente. So postulierten Seibel und Walsh [25], dass Tiefseetiere, darunter auch Fische, unter erhöhten CO2- Konzentrationen erhebliche Probleme mit dem Sauerstofftransport bekommen würden.
[...]
Übertragen auf unsere Welse, meine Rede: nur individuelle Beobachtungen zählen, verallgemeinern ist gefährlich!

Neben den akuten gibt es aber natürlich auch hier chronische Effekte (und für uns anscheinend von signifikanterer Bedeutung):
Zitat:
5.2. Chronische CO2-Effekte
[...]
CO2- Effekte auf langen Zeitskalen (Wochen, Monate, Jahre) sind dagegen für erheblich mehr Tiergruppen und bereits bei CO2-Konzentrationen zu erwarten, die in absehbarer Zeit bei fortgesetzter anthropogener CO2-Produktion und Anreicherung im Oberflächenwasser der Meere erreicht werden.
[...]
Ähnliche Effekte [Akkumulation des Neurotransmitters Adenosin aufgrund von erhöhter CO2-Konzentration; diese führt zur Unterdrückung des Stoffwechsels,Anmerkung des Zitierers] des Adenosins treten unter Hypoxie auf und sind auch bei einigen Wirbeltieren unter Anoxie gefunden worden (z.B. Süßwasserfischen und Schildkröten) [26].
[...]
Weitere Ergebnisse deuten auf den zunehmenden Abbau von Aminosäuren und Protein unter Hyperkapnie hin.
[...]
Reduzierte Wachstumsraten wurden auch bei Krebstieren und bei Fischen gefunden. Allerdings reagieren viele Knochenfische auf Hyperkapnie anders als marine Wirbellose, weil die Stoffwechselrate dieser Fische nicht gedrosselt wird und gleichzeitig die Ventilationsrate ansteigt. Bedenkt man die erheblichen Energiekosten der Atmung bei Wassertieren, so können die Verschiebungen im Energiebudget die beobachtete Drosselung des Wachstums erklären. Langfristig (nach einigen Wochen bei 10 000 ppm) setzt jedoch erhöhte Mortalität ein, wobei die Ursache für das Absterben unklar ist [18].
[...]
Auch wenn der Wirkmechanismus (Wirbellos vs. Fisch) offensichtlich grundverschieden ist, scheinen die Effekte vergleichbar zu sein. Entscheidend wieder der Hinweis auf die verstärkte Ventilationsnotwendigkeit bei Fischen, die unabhängig(!) von der O2-Konzentration ist (auch wenn natürlich O2-Mangel ebenfalls zu verstärkter Ventilation führt.. ).
Und noch ein Wort zu Konzentrationen:
Zitat:
Wie oben ausgeführt, zeigen andere Untersuchungen bereits eine signifikante Reduktion von Wachstum und Überlebensrate von Echinodermen und Schnecken aus dem Pazifik bei CO2-Konzentrationen, die 180 ppm (μatm) über den heutigen liegen (4.1.).
[...]
Diese 180 ppm dürften (wenn ich mich nicht verrechnet habe) einen Anstieg um 0.018% bedeuten (was nicht so wirklich viel ist..). Allerdings haben wir ja schon gelernt, dass Fische da etwas toleranter sind als gewisse Wirbellose.. Und dann noch eine kleine Schlussfolgerung (aus maritimer Sicht):
Zitat:
Als Schlussfolgerung aus den bisherigen Untersuchungen ergibt sich, dass viele Organismen zwar eine CO2-induzierte Ansäuerung auf pH-Werte von 7 bis 6.5 zeitweise tolerieren können, dass aber schon bei einem geringeren Anstieg der CO2-Konzentrationen über die heutigen Werte hinaus bei einigen Tieren (vor allem Echinodermen, Mollusken) Verschiebungen im Stoffwechselmodus zu erwarten sind. Insgesamt bewirken alle hier beschriebenen Wirkmechanismen eine Reduktion der aeroben Leistungsfähigkeit eines Tieres. Reduzierte Wachstums- und Reproduktionsraten resultieren, mit Langzeiteffekten auf der Populationsebene wie einer gegebenenfalls steigenden Mortalität. Für eine umfassende Bestimmung der Auswirkungen von CO2 sind jedoch weitere Langzeitanalysen verschiedener Tiergruppen erforderlich.
[...]
Soviel zu Herr Pörtner. Wie der letzte Abschnitt schon sagt, quantifizierbare Effekte sind (auch und insbesondere für uns) nicht zu ziehen. Nichtsdestotrotz haben ganz offensichtlich erhöhte CO2-Konzentrationen einen Einfluss auf Fische. Das muss für uns nicht heißen, dass CO2 die Fische sofort killt, aber schon ein ständig leicht erhöhter Stresslevel kann (muss nicht!) zum vorzeitigen Ableben eines Fisches führen. Unsere Fische sollten da etwas (bis deutlich) toleranter sein als Meeresgetier, das ja (größtenteils) in extrem stabilen Bedingungen lebt verglichen mit den "eingeschränkten" Wassermengen der Flüsse.
Trotzdem: Ich bleibe dabei, CO2-Düngung kommt mir nicht in die Becken und jedes bisschen Strömung, das CO2 austreiben kann, ist willkommen. Wenn ich mal ein Pflanzenbecken einrichten sollte, mag sich das natürlich (für den einen Fall) ändern.

Grüße, Sandor

Die gesammelten Zitate:

[1] Pörtner H.O., M. Langenbuch, and B. Michaelidis: Synergistic effects of temperature extremes, hypoxia and increases in CO2 on marine animals: from earth history to global change. J. Geochem. Res. – Oceans, in press
[2] Auerbach D., J.A. Caulfield, E.E. Adams and H.J. Herzog (1997): Impacts of ocean CO2 disposal on marine life: I. A toxicological assessment integrating constant concentration laboratory assay data with variable-concentration field exposure. Env. Model. Assessment,2, 333-343.
[3] Shirayama Y. (1995): Current status of deep-sea biology in relation to the CO2 disposal. In Direct ocean disposal of carbon dioxide, ed. by N. Handa and T. Oshumi, Terra Scient. Publ. Comp., Tokyo, p. 253-264.
[4] Pörtner H.O. and A. Reipschläger (1996): Ocean disposal of anthropogenic CO2: physiological effects on tolerant and intolerant animals. pp. 57-81. In Ocean Storage of CO2. Environmental Impact, ed. by B. Ormerod and M. Angel, Massachusetts Institute of Technology and International Energy Agency, Greenhouse Gas R&D Programme, Cheltenham/Boston.
[5] Ishimatsu A., T. Kikkawa, M. Hayashi, K-S. lee and J. Kita (2004): Effects of CO2 on marine fish: larvae and adults. J. Oceanogr. 60, 731-741.
[6] Jouve-Duhamel A. and J.P. Truchot (1983): Ventilation on the shore crab Carcinus maenas as a function of ambient oxygen and carbon dioxide: Field and laboratory studies. J. Exp. Mar. Biol. Ecol.70, 281-296.
[7]Burleson M.L. and N.J. Smatresk (2000): Branchial chemoreceptors mediate ventilatory response to hypercapnic acidosis in channel catfish. Comp. Biochem. Physiol. A, 125, 403-414.
[8] McKendry J.E., W.K. Milsom and S.F. Perry (2001): Branchial CO2 receptors and cardiorespiratory adjustments during hypercarbia in Pacific spiny dogfish (Squalus acanthias). J. Exp. Biol. 204, 1519-1527.
[9] McKenzie D.J., E.W. Taylor, A.Z. Dalla Valle and J.F. Steffensen (2002): Tolerance of acute hypercapnic acidosis by the European eel (Anguilla anguilla). J. Comp. Physiol. B 172, 339-346.
[10] Reipschläger A., G.E. Nilsson and H.O. Pörtner (1997): Adenosine is a mediator of metabolic depression in the marine worm Sipunculus nudus. Am. J. Physiol. 272, R350-R356.
[11] Pörtner H.O., C. Bock and A. Reipschläger (2000): Modulation of the cost of pHi regulation during metabolic depression: a 31P-NMR study in invertebrate (Sipunculus nudus) isolated muscle. J. Exp. Biol. 203, 2417-2428.
[12] Langenbuch M. and H.O. Pörtner (2002): Changes in metabolic rate and N-excretion in the marine invertebrate Sipunculus nudus under conditions of environmental hypercapnia: identifying effective acid-base parameters. J. Exp. Biol. 205, 1153-1160.
[13] Evans D.H. (1984): The roles of gill permeability and transport mechanisms in euryhalinity. p. 239-283. In Fish Physiology, Vol. XA, ed. by W.S. Haar, D.J. Randall, Academic Press, New York.
[14] Cameron J.N. and G.K. Iwama (1989): Compromises between ionic regulation and acid-base regulation in aquatic animals. Can. J. Zool., 67, 3078-3084.
[15] Whiteley N.M., J.L. Scott, S.J. Breeze and L. McCann (2001): Effects of water salinity on acid-base balance in decapod crustaceans. J. Exp. Biol. 204, 1003-1011.
[16] Langenbuch M. and H.O. Pörtner (2003): Energy budget of Antarctic fish hepatocytes (Pachycara brachycephalum and Lepidonotothen kempi) as a function of ambient CO2: pH dependent limitations of cellular protein biosynthesis? J. Exp. Biol. 206, 3895-3903.
[17] Kikkawa T., A. Ishimatsu and J. Kita (2003): Acute CO2 tolerance during the early developmental stages of four marine teleosts. Env. Toxicol. 18, 375-382.
[18] Langenbuch, M., and H.O. Pörtner (2004): High sensitivity to chronically elevated CO2 in a eurybathic marine sipunculid. Aquatic Toxicol. 70, 55–61.
[19] Tamburrini M., M. Romano, V. Carratore, A. Kunzmann, M. Coletta and G. diPrisco (1998): The hemoglobins of the Antarctic fishes Artedidraco orianae and Pogonophryne scotti. J. Biol. Chem. 273, 32452-32459.
[20] Pörtner H.O. (1990): An analysis of the effects of pH on oxygen binding by squid (Illex illecebrosus, Loligo pealei) haemocyanin. J. Exp. Biol., 150, 407-424.
[21] Pörtner H.O. (1994): Coordination of metabolism, acid-base regulation and haemocyanin function in cephalopods. Mar. Freshw. Behav. Physiol. 25, 131-148.
[22] Pörtner H.O. and S. Zielinski (1998): Environmental constraints and the physiology of performance in squids. In Cephalopod Biodiversity, Ecology and Evolution, ed. by A.I.L. Payne, M.R. Lipinski, M.R. Clarke, and M.A.C. Roeleveld. South African Journal of Marine Science 20, 207-221.
[23] Crocker C.E. and J.J. Cech (1996): The effects of hypercapnia on the growth of juvenile white sturgeon, Acipenser transmontanus. Aquaculture 147, 293-299.
[24] Ingermann R.L., M. Holcomb, M.L. Robinson and J.G. Cloud (2002): Carbon dioxide and pH affect sperm motility of white sturgeon (Acipenser transmontanus). J. Exp. Biol. 205, 2885-2890.
[25] Seibel B.A. and P.J. Walsh (2001): Potential impacts of CO2 injections on deep-sea biota. Science 294, 319-320.
[26] Lutz P.L. and G.E. Nilsson (1997): Contrasting strategies for anoxic brain survival - glycolysis up or down. J. Exp. Biol. 200, 411-419.
[27] Boutilier R. G., Iwama G. K., Randall D. J., The promotion of catecholamine release in rainbow trout, Salmo gairdneri, by acute acidosis: interactions between red cell pH and haemoglobin oxygen-carrying capacity, Journal of Experimental Biology, 1986, 1, 145-157.
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Alt 15.04.2007, 08:57   #3
L-ko
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Hallo Sandor,

vielen Dank für Deine super Arbeit!

Beste Grüße
Elko
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L-ko ist offline  
Alt 15.04.2007, 10:45   #4
skh
Welspapa
 
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Beiträge: 126
Hi Sandor,

nichts gegen Hans-Otto, aber ich halte die von Dir in Auszügen dargestellte Arbeit als nicht gerade gut geeignet, um etwas über die Wirkung von CO2 auf Welse zu erfahren. Herr Pörtner ist eher Ökophysiologe mit einem sehr guten physiologischen Hintergrund. Bekannt ist er geworden mit seiner Hypothese zur Limitierung von Atemgasaustausch durch Temperaturerhöhung.
Es gibt natürlich genügend Quellen für "biologische" Arbeiten wie auch für chemische und ich denke, die meisten (WEB of Science, pubmed, current contents ...) sind sogar die gleichen. Ich würde Dir eher empfehlen, ein paar aktuelle Arbeiten oder Reviews zur Fischatmung durchzulesen und dann die dort zitierten wichtigen Originalarbeiten zu lesen.

cheers

Stefan

Portner, H. O. und Knust, R. (2007). Climate change affects marine fishes through the oxygen limitation of thermal tolerance. Science 315 (5808): 95-97.

Evans, D. H., Piermarini, P. M. und Choe, K. P. (2005). The multifunctional fish gill: Dominant site of gas exchange, osmoregulation, acid-base regulation, and excretion of nitrogenous waste. Physiological Reviews 85 (1): 97-177.

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