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Sonstige Arbeiten und Berichte ... nicht nur über Welse.

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Alt 07.10.2007, 18:56   #1
Borbi
L-Wels Gott
 
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Registriert seit: 27.03.2005
Ort: Erie, CO USA
Beiträge: 1.273
Genetische Effekte künstlicher Aufzucht (Achtung, Welsfrei!)

Hi,

..bisschen schwierig, einen Titel zu finden.. Bei meiner gewohnheitsmäßigen Literaturübersicht bin ich über ein fischiges Thema gestolpert, erstmal die Referenz (kann ich natürlich hier nicht einfach einstellen):

Araki, H., Cooper, B., Blouin, M. S., Genetic Effects of Captive Breeding Cause a Rapid, Cumulative Fitness Decline in the Wild, Science, 2007, 318, 100-103.

Was haben die Autoren untersucht?
Es wurde untersucht, wie "fit" einzelne Gruppen steelhead trout (Oncorhynchus mykiss, die Regenbogenforelle heißt so, wenn sie aus dem Ozean zurück zu ihren Laichplätzen wandert) in Bezug auf die Reproduktion sind.
Dabei wurden verglichen:
1. Gruppe: "Wilde" Forellen, in der Wildnis geschlüpft, in der Wildnis aufgewachsen
2. Gruppe: "Wilde" Forellen, beide Elterntiere in der Wildnis aufgewachsen, die Tiere aber in einer Aufzuchtstation aufgezogen, zum unterstützen der Wildpopulation
3. Gruppe: "Halbwilde" Forellen: ein Elternteil Wild, eines aus einer Aufzuchtstation
4. Gruppe: "Domestizierte" Forellen: beide Elternteile aus einer Aufzuchtstation

Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die 2. und 3. Gruppe gelegt, da hier der Effekt einer einzigen Generation in Gefangenschaft extrahiert werden kann.
Fitness wurde dabei als "relative reproductive Success" (RRS) gemessen, also der relative Erfolg bei der Reproduktion. Wie das genau gemessen wurde, weiß ich nicht, das Supplementary hab ich nicht gelesen (und würd´s wohl auch nicht verstehen).

Was haben die Autoren gefunden?
Festgestellt wurde, dass schon Tiere, die nur eine einzige Generation in Gefangenschaft aufgewachsen sind, eine um 37% geringere RRS haben! Durch den Versuchsaufbau ist garantiert, dass es sich nicht um über Generationen aufgebaute und verstärkte Gendefekte handelt, ein reiner Umwelteffekt ist auch praktisch ausgeschlossen, so dass es sich um einen genetischen Effekt handeln muss (Schlussfolgerung der Autoren).

Vermutet wird, dass es sich um unbeabsichtigte Selektion handelt, außerdem wird eine Relaxation natürlicher Auslese angenommen, so dass vermutet werden kann, dass schon durch eine einzige Generation in Gefangenschaft eine signifikante Prägung der Tiere erfolgt (um nicht Degeneration zu sagen).

Was sind die Folgen davon?
Direkt aus dem Paper folgt natürlich die Empfehlung, über Auswilderungsprogramme, sei es, um eine gefährdete Population zu stützen, oder um eine stärkere Befischung der Bestände zu ermöglichen, erneut sehr kritisch nachzudenken.
Das hat meiner Meinung nach eine gewisse Berechtigung, denn wenn man die Überlebensfähigkeit einer Wildpopulation (die wird sich unweigerlich mit der "domestizierten" "kreuzen") auf die Art signifikant beeinflussen kann..?

Hat das Folgen für uns?
Na ja, direkte sicherlich nicht. Es wirft aber meiner Meinung nach ethische Fragen auf.

Und es stellt sich die Frage, ob Arterhaltungsprojekte ggf. auch durch engagierte Aquarianer überhaupt sinnvoll sind. Man mag da als erstes natürlich an H. zebra denken, den "wir" an den Rand der Ausrottung gebracht haben (wobei ein solches Programm natürlich nur sinnvoll wäre, wenn die Brasilianer nicht weiter an ihrem Staudamm bauten..).

Ich hab mir schon ein bisschen eine Meinung gebildet, möchte aber gern noch die Meinungen von anderen, ggf. auch stärker "züchtenden" Leuten dazu hören. Und das nicht unbedingt nur auf Welse bezogen. Ich denke, prinzipiell sollten die gefundenen Zusammenhänge auf jede Fischart zutreffen.
Sehr interessiert mich natürlich auch die Meinung von geschulten Fachleuten, in wieweit die gezogenen Schlüsse zwingend sind, wie zuverlässig die verwendeten Methoden sind usw. (gut, ist Science, aber da hab ich auch schon seltsame Dinge gesehen). Ich könnte z. B. aus den mit Fehlerbalken angebenen Zahlen auch eine gestiegene RRS ablesen, zugegeben aber eher unwahrscheinlich.

Nachdenkliche Grüße, Sandor
__________________
"What gets us into trouble is not what we don´t know.
It´s what we know for sure that just ain´t so."
--Mark Twain
Borbi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2007, 00:29   #2
Deedel
L-Wels
 
Registriert seit: 27.04.2004
Ort: 25421 Pinneberg
Beiträge: 456
Moin Sandor,
da hast Du Dich aber an ein sehr schwieriges Thema herangewagt.
Nur eines ist mir nicht klar und bewusst,wie wir direkt in dieser Diskussion beitragen können,da ja kaum einer die genauen Zahlen ( Gelegegegröße etc.) seiner gehaltenen Tiere kennt,wie sie in der Natur sind.Da fehlen irgendwie Vergleichszahlen.
Am Beispiel des H. zebra gesehen,glaube ich mich erinnern zu können,daß ich entweder hier oder woanders, schon einmal was von Eizahl bei einer Nz um die 20 oder höher gelesen zu haben.Wenn ich jetzt die 37% Reproduktionsrate bei Wildtieren wieder draufpacke,die ja die WF mehr haben sollen,dann komme ich bei rund 27-28 Eier pro Gelege an.Für ein L 46 meiner Meinung nach eine stattliche Anzahl,wobei ich schon die 20 als viel anrechne.
Ich kann mir auch nur schwer vorstellen,daß dieses Manko nur bei Zierfischen auftreten soll. Was ist mit allen anderen in Gefangeschaft gehaltenen und gezüchteteten Tieren ? So recht kann ich diese Theorie nicht glauben. Dann dürfte es zum Beispiel einige Tierarten nicht mehr geben,vor allem jene nicht,die durch Auswilderungsprogramme wieder in bestimmten Gegenden heimisch gemacht wurden.
Gruß Deedel
Deedel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2007, 09:04   #3
Jost
Händler/Züchter
 
Registriert seit: 06.08.2003
Ort: Kalkar
Beiträge: 723
Moin Sandor,
habe den Artikel jetzt nicht gelesen, vertraue aber Deiner Zusammenfassung.

Zitat:
Und es stellt sich die Frage, ob Arterhaltungsprojekte ggf. auch durch engagierte Aquarianer überhaupt sinnvoll sind. Man mag da als erstes natürlich an H. zebra denken, den "wir" an den Rand der Ausrottung gebracht haben (wobei ein solches Programm natürlich nur sinnvoll wäre, wenn die Brasilianer nicht weiter an ihrem Staudamm bauten..).
Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten, jedenfalls aus meiner Sicht.
Wir treiben Arterhaltung mit unseren Zuchten auf indirektem Wege. Direkt wäre, wenn wir unsere Nachzuchten wieder in den Xingu bringen würden, dies sollten wir tunlichst vermeiden, siehe den Science Artikel und ich selbst könnte auch ein eigenes Beispiel beisteuern, möchte dies aber hier nicht tun, weil es noch nicht veröffentlicht ist.

Artehaltung geht im Falle des L46 aber auch indirekt (wobei natürlich die Kontrolle vor Ort durch die IBAMA eine notwendige Voraussetzung ist), nämlich indem man mit den Nachzuchten den Druck von der Wildpopulation durch die Fänger nimmt. Und genau das machen wir, hoffe die IBAMA macht ihren Teil, da habe ich aber so meine Zweifel.

Aus dem gleichen Grund habe ich mir vor kurzem den L309 mit-importiert, weil man ihn hier kaum bekommt und ich gerne mit entsprechenden Nachzuchten die vorhandene heimische Nachfrage nach diesem schönen Ancistrus decken möchte. Ich weiss, es ist blauäugig zu denken, damit würden die Wildfänge reduziert, aber man darf doch durchaus nach einem respektablen Ansatz handeln, auch wenn der Erfolg meist marginal bleibt, zumindestens kurzfristig. Aber solche Projekte brauchen einerseits einen sehr langen Atem (siehe Klimadebatte, wir Wissenschaftler reden darüber seit 30 Jahren, jetzt erst ist es in der Gesellschaft und damit in der Politik angekommen). Wir sollten alles tun, diesem langen Atem zu haben und damit den Fangdruck von den Wildpopulationen zu nehmen, hoffentlich.
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Beste Grüße
Jost

nature2aqua - der etwas andere Aquaristikshop
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Alt 11.10.2007, 09:25   #4
Borbi
L-Wels Gott
 
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Registriert seit: 27.03.2005
Ort: Erie, CO USA
Beiträge: 1.273
Hallo,

@Deedel: da hast Du was missverstanden. Das "Problem" ist nicht, dass sich die Gelege bei künstlich erbrüteten Tieren verkleinern. Es scheint vielmehr so zu sein, dass sich bereits innerhalb einer Generation signifikant Mutationen ergeben/deren Träger überleben, die die Überlebensfähigkeit/Reproduktionsfähigkeit in der Wildnis herabsetzen.

@Jost:
Zitat:
Wir treiben Arterhaltung mit unseren Zuchten auf indirektem Wege.
Das- beziehungsweise die "Notwendigkeit" dazu ist für mich eine der wichtigsten Konsequenzen aus dem Bericht gewesen. Die Arbeit zeigt für mich, dass offenbar abgefischte "Populationen" (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks) für immer der natürlichen Population entzogen sind, selbst, wenn man deren Nachkommen wieder im Habitat aussetzen würde, wären die Effekte nicht vorhersehbar und wahrscheinlich negativ.

Daraus folgt für mich auf einer moralischen Ebene, dass es geboten erscheint, einen möglichst großen Teil des Bedarfs durch Nachzuchten zu decken. Jeden sportlichen Ehrgeiz mal außen vor gelassen, ist das ein weiterer Grund (für mich), meinen Welsen Artbecken zu bieten, um die Chance auf erfolgreiche Vermehrung zu steigern.

Ich denke, gerade an einem "Ort" wie diesem ist es angebracht, das zu diskutieren resp. zu propagieren.

Zitat:
siehe Klimadebatte, wir Wissenschaftler reden darüber seit 30 Jahren, jetzt erst ist es in der Gesellschaft und damit in der Politik angekommen
ich hoffe bloß, dass "wir" dann nicht auch in vergleichbaren blinden Aktionismus verfallen..

Zitat:
Wir sollten alles tun, diesem langen Atem zu haben und damit den Fangdruck von den Wildpopulationen zu nehmen, hoffentlich.
Meine Meinung! Genauso froh wäre ich allerdings, wenn die Beziehung Wildfang=gut Nachzucht=böse endlich ad acta gelegt werden könnte.

Grüße, Sandor
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Alt 11.10.2007, 09:30   #5
Jost
Händler/Züchter
 
Registriert seit: 06.08.2003
Ort: Kalkar
Beiträge: 723
Hallo Sandor
Zitat:
Genauso froh wäre ich allerdings, wenn die Beziehung Wildfang=gut Nachzucht=böse endlich ad acta gelegt werden könnte.
lass uns genau daran arbeiten, hier und anderswo!
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Beste Grüße
Jost

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Alt 11.10.2007, 10:24   #6
Deedel
L-Wels
 
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Ort: 25421 Pinneberg
Beiträge: 456
Zitat:
Zitat von Borbi Beitrag anzeigen
Hallo,
@Deedel: da hast Du was missverstanden. Das "Problem" ist nicht, dass sich die Gelege bei künstlich erbrüteten Tieren verkleinern. Es scheint vielmehr so zu sein, dass sich bereits innerhalb einer Generation signifikant Mutationen ergeben/deren Träger überleben, die die Überlebensfähigkeit/Reproduktionsfähigkeit in der Wildnis herabsetzen.

Moin Sandor,
da muss ich Dir aber jetzt völlig recht geben. Ich hätte doch erst mal schlafen sollen,bevor ich geantwortet habe.

Zitat:
Zitat von Jost Beitrag anzeigen
Hallo Sandor
Zitat:
Genauso froh wäre ich allerdings, wenn die Beziehung Wildfang=gut Nachzucht=böse endlich ad acta gelegt werden könnte.
lass uns genau daran arbeiten, hier und anderswo!.
Genau,leider werden WF heute immer noch höher bewertet,als vergleichbar gute Nachzuchten.So wie man an ein Tier den Zusatz WF versieht,kommen Interessenten in Scharen.So lange diese Haltung besteht,so lange besteht auch der Druck auf die einzelnen Wildpopulationen.
Ein möglicher Grund für diese Haltung ist meines Erachtens auch der Glaube an eine mögliche Degeneration durch Inzucht, Überall liest man,ich suche WF für meine vorhandene Gruppe,um eine mögliche Inzucht zu vermeiden. Da ist ein großer Teil allen Übels mit enthalten.Die Angst vor etwas,was so schnell gar nicht gegeben ist.
Gruß Deedel
Deedel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2007, 10:32   #7
Borbi
L-Wels Gott
 
Benutzerbild von Borbi
 
Registriert seit: 27.03.2005
Ort: Erie, CO USA
Beiträge: 1.273
Hi,

Zitat:
Überall liest man,ich suche WF für meine vorhandene Gruppe,um eine mögliche Inzucht zu vermeiden.
Und: wenn man den Spieß mal umdreht: eine der wahrscheinlichsten Erklärungen (sagen die Autoren) ist eine bevorzugte Verpaarung (W=Wild, C=Captive) WxW gegenüber WxC.

Würde auf die Aquaristik übertragen bedeuten: solange ich genügend C in meinem Stamm habe, werden die sich auch bevorzugt untereinander fortpflanzen und die W-Tiere ignorieren. Wäre also außer Spesen nix gewesen, was das Einbringen von frischem Blut angeht.

Mag natürlich bei Tieren, die man gezielt als Paare ansetzen kann, etwas anders aussehen. Aber das ist ja bei Welsen eher selten der Fall.

Wäre dieser Gedanke nicht verfolgenswert..?

Grüße, Sandor
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